Pfiff: Ohne uns rollt der Ball nicht

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Interview mir Robert Drews, seit 16 Jahren Schiedsrichter des SV Hochdorf

Redaktion: Robert, wie definierst du die Rolle des Schiedsrichters beim Fußball?
Drews: Er ist der Spielleiter und zuständig für die Einhaltung der Regeln.

Redaktion: Manche Spieler und Zuschauer behandeln den 23. Mann aber eher als Fußabtreter?
Drews: Ich weiß, dass es das gibt. Ich selbst habe das aber so noch nicht erlebt. Entscheidend ist auch, wie der Schiedsrichter auftritt. Tritt dieser ruhig, sachlich, kommunikativ und selbstbewusst auf, dann begegnen ihm Spieler und Fans auch so.

Redaktion: Gilt dies im gleichen Maße für Spieler und Fans?
Drews: Generell ja. Aber es gilt auch: Wer gerne pöbelt, der pöbelt immer. Und zwar egal welcher Schiedsrichter pfeift.

Redaktion: Wie und warum bist du Schiedsrichter geworden?
Drews: Ich habe als kleiner Junge im SV Hochdorf in der E-Jugend als Fußballer begonnen und diesen Sport mit großer Leidenschaft ausgeübt. Als ich 15/16 Jahre alt war, hat mich mein damaliger Jugendtrainer Erich Meier gefragt, ob ich keine Lust hätte, die Schiedsrichter-Ausbildung zu absolvieren.

Redaktion: Und du hast auf deinen Trainer gehört?
Drews: Ja. Dazu kam, dass ich es reizvoll fand, mit dem Pfeifen mein Taschengeld aufzubessern.

Redaktion: Und das hat gleich geklappt?
Drews: Der Einstieg war hart. Nach dem zweiten Spiel – einem Jugendspiel mit zwei Platzverweisen – habe ich stark gegrübelt, ob ich das weiter machen soll. Aber aufgeben entspricht nicht meinem Naturell. Also habe ich mich durchgebissen und rückblickend stelle ich fest: das war gut so.

Redaktion: Wird man denn ausreichend auf den Job vorbereitet?
Drews: Überhaupt nicht. Man lernt zwar die Regeln und die Schiedsrichtertheorie, aber die Praxis kann man nicht simulieren. Das unterscheidet uns von den Spielern. Die können im Training Abläufe, Spielsysteme und Spielszenen trainieren und einüben. Das kann der Schiedsrichter nicht. Der muss auf dem Platz in Sekun- denschnelle entscheiden, ohne vorheriges Einüben.

Redaktion: Muss man denn als Schiedsrichter auch trainieren, um fit zu bleiben?
Drews: Nur im geringen Umfang. In der Regel hat man pro Woche zwei Spiele. In Spitzenzeiten meiner Schieds- richter-Tätigkeit habe ich bis zu 5 Spiele pro Woche absolviert, das summiert sich auf 60-80 Spiele in einer Saison. Wenn man dann zusätzlich pro Woche noch eine Laufeinheit absolviert, genügt das.

Redaktion: Inzwischen bist du seit 16 Jahren als Schiedsrichter im Einsatz und das mit großem Erfolg?
Drews: Ich habe recht bald in dem neuen Hobby Ehrgeiz entwickelt. Das ist bei den Schiedsrichter-Beobachtern aufgefallen und positiv bewertet worden – Stufe für Stufe. Ich bin so als Schiedsrichter bis in die Verbands- liga, als Linienrichter sogar bis in die Oberliga aufgestiegen.

Redaktion: :Was zeichnet einen guten Schiedsrichter aus?
Drews: Ehrgeiz ist wichtig. Er muss Ruhe haben und ausstrahlen. Kommunikationsfähigkeit ist entscheidend und eine gute Mischung aus Selbstbewusstsein und Kritikfähigkeit. An diesem letzten Punkt scheitern viele Schiedsrichter. Kondition kann man lernen, die anderen Punkte nur bedingt.

Redaktion: Der Fußball in Deutschland wird seit einiger Zeit von einer unübersehbaren Zahl von Übergriffen auf Schiedsrichter erschüttert. Hast du so etwas auch schon erlebt?
Drews: Nein. Beleidigungen ja, aber tätliche Angriffe nicht. Und die Beleidigungen kamen dann eher von Zuschau- ern als von Spielern.

Redaktion: Und wie reagierst du auf Meldungen über solche An- und Übergriffe?
Drews: Fast schon abgestumpft. Weil danach passiert eh nichts bzw. zu wenig.

Redaktion: Was meinst du damit?
Drews: Ich nenne ein Beispiel. Im Oktober 2019 hat der Frankfurter Spieler Abraham den Freiburger Trainer Chris- tian Streich absichtlich umgerannt. Ein eklatantes Vergehen, das danach verniedlicht wurde. Der Spieler wurde für 7 Wochen gesperrt, das war okay. Aber bereits wenige Minuten nach dem Vorfall erklärten alle Seiten – auch Spieler und Trainer des SC Freiburg -, dass das nichts Gravierendes sei, dass Emotionen zum Spiel dazu zählen und man doch gute Freunde bleibe. Dieser Angriff hatte nichts mit Emotionen zu tun und darf so nicht relativiert werden. So können doch viel zu viele sich das Recht für den nächsten Angriff raus nehmen – von der Bundesliga bis zur Kreisliga – und danach entschuldigend erklären: Waren doch nur Emotionen und die gehören zum Fußball dazu.

Redaktion: Ligen haben wir noch nie gespielt. Trotzdem bist du dem Kreisligisten bis heute treu geblieben. Warum?
Drews: Es gab für mich nie einen Grund für einen Wechsel. Ich bin hier im Ort geboren und aufgewachsen. Meine fußballerische Ausbildung hatte ich hier im Verein und das passt bis heute.

Redaktion: Aber es gibt ja auch bei Schiedsrichtern einen Markt, eine Transferbörse. Gab es Angebote zum Wechsel von anderen Vereinen?
Drews: Ja. Manche Vereine locken mit finanziellen Grundpauschalen oder umfassenden Ausrüstungspaketen. Aber noch einmal: Für mich waren das keine Gründe für einen Wechsel.

Redaktion:Wie sollte der SV Hochdorf sein Engagement für die eigenen Schiedsrichter noch steigern?
Drews:Der SV Hochdorf bezahlt die Ausrüstung der Schiedsrichter – das ist gut so. Dann sollte der Verein weiterhin intensiv versuchen, vor allem junge Spieler für die Ausbildung zum Schiedsrichter zu begeistern. Der Verein könnte dann noch überlegen, ob er die eigenen Schiedsrichter nicht noch stärker in die Fußballabteilung einbinden möchte. Es gibt Vereine, da erhalten auch die Schiedsrichter die Ausrüstung der Aktiven (Trai- ningsanzüge, Laufbekleidung, Sporttaschen) und werden zu Abschlussfeiern, Saisonfahrten u.ä. eingela- den. Solche Gesten stärken die Einbindung der (jungen) Schiedsrichter in den Verein.

Redaktion:Und wie lange werden wir den Schiedsrichter Robert Drews noch erleben?
Drews:Mit Sicherheit keine weiteren 16 Jahre mehr. Ich denke derzeit intensiv darüber nach, wie lange ich dieses schöne Hobby noch ausüben möchte. 16 Jahre bedeuten auch 16 Jahre, in denen fast jedes Wochenende verplant war. Inzwischen trete ich kürzer. Ich bin freiwillig als Schiedsrichter aus der Landesliga ausgestie- gen und pfeife nur noch wenige Spiele bis zur Bezirksliga.

Redaktion:Ein Leben ohne Pfeife denkbar?
Drews:Natürlich. Aber selbst wenn ich nicht mehr pfeife, werde ich der Zunft verbunden bleiben. Inzwischen bin ich im Bezirk Freiburg als Schiedsrichter-Beobachter unterwegs. Dabei bewerte ich die Leistung vor allem von jüngeren Schiedsrichtern und kann denen hoffentlich möglichst viele Tipps geben. Mir hat das Pfeifen immer Spaß gemacht und diese Einstellung möchte ich gerne an jüngere Kollegen weitergeben.

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